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PIONEARtreffen 2002

unbekannter Autor
„Pioniere voran, laßt die Fahnen weh´n...“
„Hop oder Topp? Topp natürlich...“

Eigentlich hätte dies eine Parallelgeschichte werden können. Oder sollen. Parallel gefaßt zu jener vom Dr.Ring-Ding, gleich nebenan. Station neben Station, zum nachbarschaftlichen Abgleich bereit und schließendlich leger zusammengeführt, fast schon: logisch entwickelt. Vom Ska zum Dancehall.
Aber bei eingehender Betrachung der Dinge wie Behörung der Klänge gewann doch der Wert der Eigenheitbetonung, obsiegte die Einzelbetrachtung, schließlich: die Individualität, wohl auch: Nicht- Vergleichbarkeit (bzw.: Schwervergleichbarkeit). Reden wie also von Sonderfällen im germanischen Reggae (an sich schon ein solcher).

Zurück in eine unvorstellbar weit entfernte Zeit. Man schreibt den Sechsten des Mai 1989, das Systemgefüge DDR fängt bereits beträchtlich an zu wackeln, da entschließen sich wackere Herren zu Leipzsch (aka Leipzig), eine Band namens Messer Banzani in jene hoffnungsfrohen Tage zu setzen. & vor allem Nächte, die allwochenendlich bereits mehr oder weniger republikweit von einer immer weiter entgrenzten Szene der Andersartigkeit geprägt wurden, als selbst „Junge Welt“ und sogar die Pionier(!!!)zeitung „Trommel“ von den „anderen Bands“ schrieben, radioseits von „Parockticum“ oder „Trend“ auf DT 64 mal ganz abgesehen... Historisierungs-Blabla, dem ich im Augenblick kaum vertraue, da ich an der Übermittelbarkeit zweifle, vielleicht sogar fast ver-, zumindest an mir dies&ich-bezüglich. Checkt „Wir wollen immer artig sein“ (das Galenza/Havemeister-Buch, siehe Zonic 11,5), das Ding war und ist auch bzw. immer mehr im Rückblick zu komplex, um sich hier nicht zu verlieren.
Namensgeber für die „Bewegung“, allerdings kaum freiwillig (schließlich flog man wegen Zensurverweigerung vom „die anderen bands“-Sampler) waren eben „die anderen“, eine Band, die damals mit Ska- und Reggae- Einflüssen für Begeisterung sorgte, zumindest in den Frühzeiten vor der Hinwendung zum Beat, mit wirksamem Gespür für Songgestalt und zuerst auch fast nur mit deutschen Texten, einen Song wie „Schwarzer Missionar“ (Parockticum-Livesession 25.10.1987, verrauschtes Orwo-Tape) habe ich noch heute sofort abrufbar im Innerkopf-Radio. „Die anderen“ waren aber bald nicht mehr allein mit ihrer bassigen und Offbeat gesetzten Leidenschaft, für die wohl vor allem der Bassist Stefan Schüler einstand (natürlich!), und sie wurden in Spezifik und Themenvertiefung bald überholt. Da waren Bands wie Torpedo Mahlsdorf und Michele Baresi in der Ska-rawane und da waren eben vor allem wie vor allen: Messer Banzani.

Messer Banzani waren Topp (vor allem). Die Topps. Leander Topp und Tom Topp. Cousins, mütterlicherseits verwandt, mit afrikanischen Vätern, wunderbare Neben-Produkte der solidarischen Brüderlichkeit im kaltkriegerischen Lagerkampf um Afrika. Bluts- wie Groovebrüder, Riddimcousins (Leander am Bass, Tom an Drums). Früh genug umspült von schwarzer Musik, von Reggae und... Funk ´n´Disco (!). Verwurzelungspräsenz, bald umgesetzt, übrigens auch schon vor dem 06.05.1989, und auch schon vorher unter der Verwendung des Namens Messer Banzani, die von mir unerbittlich archivierten Parockticum- Manuskripte geben Aufschluß, denn bereits am 06.02.1988 gab es einen Song der beiden Topps im Radio zu hören, aufgenommen in Suhl unter dem Alias The Bastards, nämlich: „Teneriffa“. Ob dies schon eine Frühform des späteren Messer Banzani-„Hits“ war, ist mir aber nicht mehr geläufig, man kann sich ja nicht alles merken. Auf jeden Fall habe ich da noch einen weiteren Song der beiden auf Uralt- Tape, der bezeugt, dass vorher sogar mal deutsch getextet wurde, welches Pseudonym hier benutzt wurde, liegt im Dunkel der Geschichte. Egal.
Es gab ein erstes Tape: We Try to get You to Move Your Ass, etwas später das Land DDR nicht mehr, dafür aber bald eine Messer Banzani- LP bei einem Label namens D.D.R., Subabteilung Orange Street. Ska, Ska, Ska, leicht unterproduziert (mindestens), aber irgendwie unwiderstehlich als arschbewegendes Liedgut, Songs halt, wirkliche, mit Catchyness-Gefühl, Pop im Zweitakt, schwarzweiß- kariert. Vielen mit stompender Turtle-Gestalt auf dem Frontbild bekannt, auserwählten Frühkäufern - die ersten 500 wohl - als abschreckendes Beispiel eines wahrlich mißlungenen Covers geläufig, selten wurden Farben im Unstil der 80er so brutal nebeneinander gesetzt, der Bandnamenszug übrigens in punkiger Schnippselart gesetzt. Aber das Durcheinander sollte im Laufe der Zeit stimmiger werden, ein Zeitenlauf, dessen allerlei Zwischenstationen ich hier geflissentlich weglasse. Kein Abgleichen jetzt, nur Eckpunkte, neuralgische, produkthafte zumeist. „Skagga Yo“ machte 1992 klar, dass die Banzani´s nicht gewillt waren, sich festlegen zu lassen auf ein „immer nur Ska“, sondern in Rasanz die Reggaemoderne anstrebten und aufsaugten, dass sie Früh-90er Ragga und Hip Hop, der schon immer (DDR-intern heißt das: seit „Beatstreet“ im Kino) als präsente Größe im Hintergrund war, ihren Tribut zollten. Es wird zunehmend getoasted und gerappt gar, es gibt Funkiges, die andere Wurzelseite drängt durch, und Scratching und Calypso-Nähe und allerlei Sonstiges, das zudem in diversen Interludes verstärkt angerissen wird - ohne das Soundversprechen halten zu müssen. Und es gibt wieder: Hits, kleine interne wie größere, allgemein gewertschätzte, zumindest und besonders eben auf dieser Seite der DMedaille. „Peace is Wonder“, von olle Jamaica Papa Curvin mitproduziert, ist der herausstechendste nur. Zu jener Zeit etwa begibt es sich auch, dass via Stolle, umtriebiger Musiker und Produzent jener Leipzscher (Kumpelkult-) Kreise, später, 1995, beim in Trioreduktionale aufgenommenen Album „We bring the sun“ auch an den Messer Banzani- Drums sitzend, die Postmoderne in Form eines Samplers Einzug hält. Der Weg zum Produzententum ist fatal geebnet, die Topps im Strudel der Entwicklung, der Mitentwicklung, Dancehall heißt sowieso die Bezugsgröße mittlerweile. Die etablierte sich vor allem auf der 1993er Tour mit der 809- Band, damals die führende Backingband der Insel, also Jamaicas, u.a. mit dem seit Urewigkeit omnipräsenten Saxophonheroen und Reggaearrangeur Dean Fraser, u.a. Firehouse Crew-Vorsteher, mit dem sich sowas wie Freundschaft entwickelt, fruchtbare Freundschaft. Die Headliner der Tour hießen Mutabaruka, Sugar Minott und Junior Reid, welch ein Line up..., wie wenig wußte man diese Ballung damals zu schätzen, man meint: uns, die wir damals (in Al-Haca- Urbesetzung) dem historischen Event im Rostocker Mau beiwohnen durften (historisch schon, weil es für Jahre die einzige Reggaeveranstaltung vor Ort bleiben sollte, die wirklich eine euphorische Party darstellte..., ganz ohne Dancehall- Hype, einfach so, aus dem Bauch und mit etwas Reggae-Klischeehilfe).
Dean Fraser nun stellte folgenreiche Kontakte nach Jamaica her und die Messer Banzani-LP „Language“ wurde dem entsprechend großanteilig im Ursprungsland aufgenommen, unter Mithilfe von u.a. Sly Dunbar. Ein Kreis hatte sich geschlossen. Der Ursprung hat einen eingeholt, der vollkommene Anschluß an das Reggae-Jetzt wird im Kernland vollzogen, zu jenem gehörte seit Mitte der 90er eben auch Sound System-Aktivität, Tommy mit Sonic Bang, vor allem aber Lanity in Kollaboration mit dem kürzlich diesbezüglich demissionierten Generalph als Far East Sound System, was ich gern als lokalitätische Ironie (über?-)interpretierte, als einen Bezug zum good old Augustus Pablo- Sound herzustellen, hier ging es schließlich um Dancehall, um den großen Bassbums- „krachen muß´s“- und die gelegentliche Popummäntelung (oder Roots-), um zwingend packende Riddims und mitreißende Verbalien in Patois. Ein wirklich guter Sound, der nun leider dahin ist, eine Partygarantie – schade.
Als der große Durchbruch stets auf sich warten läßt, selbst der „11 Rastaman“- Track zur Fußball- WM genauso wenig punktet wie die besungene jamaikanische National-Elf, wird der Schlußstrich gezogen und pünktlich zum 10jährigen die Band aufgelöst, nicht ohne mit „Final Judgement“ die Wegrichtung der nun mehr oder sehr minder getrennt marschierenden Kräfte aufzuzeigen, das gleichnamige Riddim schaffte es sowohl auf das Gentleman- Album als eben auch auf King Jammy´s, versions-weise noch mit Selda und den Herren Banzani, wohl letztmalig vokalistisch vereint. King Jammy ´s !
Seitdem geht es Schlag auf Schlag. Messer Banzani trennen sich in Produzenteneinheit und Backingband: Far East, tourten 2001jährig mit Sean Paul, Bucaneer und Red Rat durch Europe und ist gerade zur Backingband von Gentleman geadelt worden-, erstere heißt Topp Entertaiment und hat ihr eigenes Label, Germaican Records, das wiederum erfolgreich bis dato an Downbeat weiterlizensierte, also an den Major WEA letztlich. Ökonomische Beweglichkeit wird gewonnen, Tolga´s „Now That I´m Here“ war das erste Artist- Album, diverse Riddims – Arena, Bitch, Bitch RMX, der Seeed- Riddim Frog-Ass mit DER dickBigen deutschen Dancehallhymne des letzten Jahres, dazu der von Tom erstellte, komplett deutschsprachige und als Riddim etwas schwächere Worldreport, zuletzt Geisha - wurden per 7“-Reigen auf die Plattenteller der diesländischen Sounds geschmuggelt, die (nicht nur) m.E. recht unseelige „Germaican Link Up!“- Compilation wurde maßgeblich im Hause erstellt, welche da jamaikanische Artists neben deutschen Hip Hoppern auf die Riddims stellte, was letztere zumeist recht blass aussehen ließ (natürlich...), vor allem auch, weil mensch da eben die Texte verstehen mußte - wobei die Herren von der Insel den Sinnball adäquat flach halten, zugegebenermaßen und unüberraschend. Und nicht zuletzt kommt nun mit „The Excitement“ die erste Werkschau, diesmal in eigener Vermarktung via Indigo, die Zukunft heißt wohl Doppelstrategie, wiewohl die Downbeat- Freiheit bis dato nur lobend hervorgehoben wird von Lanity, nunmehr aka PIONEAR. Hauptproduzent des Topp Imperiums, Meister der eigenartig gebrochenen und doch druckvollen Strukturen, der Funktionale mit Funk, der Beats mit Bruch, des Bass mit Beben. Zwingend & eigen. Jawohl.
Auf dieser hochenergetischen Ebene angekommen, zu der noch die Herausgabe des Online- Mags Germaican Observer als gute und frisch recherchierte Dancehallquelle gehört, die ständiges Pendeln zwischen den Polen Leipzsch und Kingston bedeutet und auch noch Höchstbelastungsstufen wie die programmatisch- organisatorische Verantwortlichkeit für die gesamte Dancehall- Bühne auf dem Splash- Festival inklusive hat, stellt sich, auch angehörs der hartkernigen Soundkonstrukte des Pionears die Frage, wo z.Zt. denn die guten alten Roots geblieben sind, wo im Unterschied zu Dr.Ring-Ding, um den Abgleich doch zu vollziehen, der die historischen Pole ja zusammenführt, in Tunes inhärent wie auf der Bühne insgesamt.
Ein etwaiges Zurückbeziehen auf Ska wird es beim Produzenten Pionear wohl nie mehr geben (ein Bandseitenprojekt wurde auch gerade eingestellt...), denn: „da ist vom Sound her alles gesagt seit den Skatelites.“ Punkt. Hier und Jetzt, die Foundation reicht nur noch bis in die frühen 70er, wie beispielsweise gelungen beim Dr.Ring-Ding-„Geisha“- Tune „Vom Vatter“ mit „Java“- Loop- Beginn. Die Grenze hat sich verschoben in kontemporärem Vorwärts, und Lanity glaubt auch kaum, dass es überhaupt bei Leuten noch im Kopf ist, wo man herkam, wie die Entwicklung sich vollzog (aber dafür gibt es ja schließlich Artikelversuche wie diesen...). Als alter Anti- Spartendenken- Kämpfer ist er nun doch, wie ich im Interview befand, irgendwie im Dancehall zementiert, der natürlich in sich alle Möglichkeiten bietet, die es zu nutzen galt:

Lanity: „... wenn du dir das Tolga-Album anhörst, dann gibt es da auch ganz anderes, da habe ich meine ganze Geschichte verbraten. Da gibt es einen Beat, der ziemlich funky ist..., das sind ja auch die zwei großen Sachen, wo ich herkomme: Reggae, wie er sich von den 70ern bis in die 80er gezogen hat, sowie Funk und Disco. Chic sind da meine ganz Großen...“

Nile Rodgers und Bernhard Edwards neben Sly &Robbie, das will man lesen, das will ich hören, auf all diese musikalischen Querverbindungen kann gar nicht genug hingewiesen werden, und sowieso:
„Im Grunde genommen ist alles R´n´B, was wir machen. Alles, was damit zu tun hat, sei es Hip Hop , „R´n´B“ selbst, der ja nur so genannt wird... letztlich ist alles irgendwie dasselbe.“

Rhythm&Blues also, zeitengemäß und eigenwillig mutiert, von der benachbarten Kulturdominanzmacht USA adaptiert, auf Produzenten- Ebene wie eben vor allem durch:
„die DJs halt, die Coverversionen von Tunes aus den Staaten machen, sie jamaikanisieren, nur noch die Melodie übrig bleibt und ein lokaler Text draus gemacht wird. Das hat einen großen Anteil und wenn du in Jamaika ausgehst, dann wird da auch ein großer Teil Hip Hop und R´n´B gespielt.
Das finde ich ja auch so faszinierend, dass trotzdem die Kultur noch so stark ist. Aber das liegt auch daran, dass es so ein Volk von Sturköpfen ist, die nehmen sich das Beste von allem und machen was Eigenes draus, gepaart mit mangelnden Ressourcen. Trotzdem kommt was raus, was jeder anhören kann, das funktioniert ganz gut seit nun 30/40 Jahren.“

& weiter im Text, nun kommentarlos dokumentiert:

„Z: Stealing in the name of the lord... . Ich finde, das dies eine Geschichte ist, die in der Transformierung von Dancehall nach Deutschland nicht genug betont werden kann, weil die HipHopifizierung des Dancehall etwas ist, was ich mit einem leichten Schmerzgefühl betrachte, da es die Sache zu sehr einengt.

L: Das liegt an den Protagonisten, wie sie es machen. Man kann es keinem übelnehmen, wenn jetzt z.B. einer aus Deutschland kommt, der sagen wir 22 Jahre ist, mit Hip Hop und vielleicht noch Techno groß geworden, und nun Dancehall geil findet. Der wird es am Ende auch heraus hören, dass es woanders herkommt.
Das ist bei mir genauso. Wenn ich rüber gehe, dann sagen die natürlich, dass es Dancehall ist, klar, aber dass es sich eigen anhört. Logischerweise, weil wir hier halt auch andere Musikeinflüsse haben. Die ganzen soziokulturellen Aspekte der Entwicklung, da können wir jetzt lange drüber reden, aber es wird kommen, wie es kommt. Du kannst jetzt keinem 16jährigen verbieten, dass er Elephant Man oder Capleton geil findet, den kannst du ja nicht wegschicken... .

Z: Es hat natürlich jeder seine Nullstunde, sein Erweckungserlebnis... Für mich zieht sich nur die Verpflichtung hinterher, zu gucken, wo kommst das her usw..

L: Aber das sind Sachen, da haben die wenigsten Leute Zeit dafür. Was es angeht, so auf Konzerte zu gehen usw., da habe ich das Gefühl, dass dies in Deutschland mit 23 aufhört im Schnitt, dann kommt Familie oder Arbeit. Dann kauft man sich vielleicht nochmal ´ne gute CD, deswegen gibt´s auch all die Oldiesparties. Da haben sie ihr Klientel, das dort seine fünf Jahre hatte und dann bis sie 50/60 sind zu solchen Parties geht, 60er/70er/80er-... 90er spielt man dann ab 2005.

Z: Was spielst du in 20 Jahren?

L: Golf?
20 Jahre ist ein bißchen weit weg, ich glaube, dass ich auf jeden Fall in zehn Jahren noch Musik mache. 20 Jahre sind eine lange Zeit, wenn ich so zurückschaue bis 1981, da hat sich die Musikwelt um mindestens 100% geändert.

Z: Auf jeden Fall ist es durch verschiedene technische Anhebungsstufen gegangen.

L: Spätestens seit Einführung des Samplers kommt zu dem Song, der gut sein muß, die Leute anspricht, mindestens 50 % Sound dazu, deshalb haben Produzenten auch ein viel größeres Gewicht bekommen. In den 60ern gab es natürlich auch schon den Motownsound z.B., der eigen war. Aber heutzutage ist da eben Timbaland, und der bestimmt das Jahr, weil alle darauf abfahren.

Z: Du wurdest ja nun auch schon als der Timbaland der diesländischen Szene tituliert...

L: Sagt man...

Z: Sagten die Männer beim Spex.
Wenn man sich die ständige rasante Entwicklung in der Verbalisierung innerhalb von Dancehall anhört, dieses ständige Neuwortschöpfen usw., denkst du , dass wirklich alle noch wissen, wovon die Rede ist, dass man da überhaupt mithalten kann, dort wie hier?

L: Ich denke, Jamaikaner der vorherig nächsten Generation wissen schon nicht mehr, was da abläuft. Die erkennen natürlich in groben Zügen, worum es geht, aber das ist so, als wenn jemand in Dialekt loslegt und dazu noch Sprüche hat, die Leute, die 10 Jahre älter sind, überhaupt nicht mehr kennen. Da kommen auch immer wieder neue Slangs auf, dass hörst du auch an den Leuten, die drüben waren und jetzt auf Patois machen..., du hörst sofort, wie lange die weg waren, weil das so extrem schnell geht.

Z: Ist das so eine Geschichte, wo es darum geht, sich ständig selbst zu verschlüsseln, um sich interessant zu machen...?

L: Ne, das ist eher so wie 5 Kumpels, die unterwegs sind... . Wie das bei uns in der Band auch war, wenn da jemand zugehört hat, wird der zwar verstanden haben, dass es deutsch ist und worum es im Groben geht, aber bestimmte Sachen, die du so sagst, aber ganz anders meinst, versteht man überhaupt nicht. Gerade bei Bands ist das sehr gut nachzuvollziehen, so eine Art Bandensprache, da ist dann plötzlich ein neues Wort der Hype, das geht dann ruck-zuck... Was gesprochen wird in Jamaika auf der Straße, wird da auch umgesetzt, und man versucht dann noch eigene Worte zu finden, Markenzeichen zu setzen.

Z: Inwieweit ist es denn für dich wichtig, was über deinen Riddims textlich passiert oder ist dies eine Sache, bei der du es sowieso nicht mehr beeinflussen kannst?

L: In Jamaika hast du, was den Text angeht, keine Einflußmöglichkeit mehr, die haben das zum Großteil meist schon fertig. Für mich ist erstmal wichtig, das der Tune gut ist. Und es ist meist noch so, dass da 3,4,5 Leute mit im Studio sind, die jetzt nicht direkt mit dazugehören, sondern einfach nur rumhängen, das sind dann meist so Typen, die 18 oder 20 sind und an denen merkst du zum Beispiel auch, was da gerade drüben gemacht wird, ob das ankommt. Wenn keine Reaktion kommt und alle so normal sind, dann ist es halt okay, aber dann würde halt keiner im Kreise springen. Das ist es halt, was du willst, dass im Studio alle abdrehen, wenn das passiert, weißt du: alles ist gut. Aber ich würde mich jetzt nicht hinstellen und sagen: das und das darfst du nicht sagen.

Z: Aber gäbe es eine Grenze, bei der du sagen würdest, das geht nicht mehr?

L: Sicherlich, auf jeden Fall.
Von Europa, der weißen Welt wird aber viel mehr Aufmerksamkeit darauf verwendet, wie Musik aufgenommen wird. In der schwarzen Kultur geht es zu großen Teilen nur darum, Realitäten abzubilden..., da haben wir, so glaube ich, gar nicht die Legitimation, zu be- oder verurteilen.

Z: Das ist schon klar. Man hat aber gerade die Position, das zu ver- und übermitteln, eine ziemlich wichtige, wie ich finde. Auch bei Soundsystems, wo ich vieles vermisse... Man macht sich´s natürlich gern einfach, nimmt hin, denn es ist klar, für viele ist es auch nur Lautmalerei - auch für mich, wenn ich mich nicht konzentriere- die wenigsten hören ja zu, davon kann man erst einmal ausgehen, da geht es um Stimmenerkennung und Gröhlen und weiter geht´s... .

L: Es ist abzuwarten. Ich denke, es ist eine logische Entwicklung, dass jetzt die Sache mit deutschen Texten passiert. Manche werden mehr so conscious-mässig kommen, bei Reggae eben auch mehr Wert auf die Texte legen und ein deutsches Äquivalent finden in Kampf gegen Babylon. Andere werden Partytracks machen und es wird wieder andere geben, die Leute abdissen. Da Homophobie in Deutschland kein Thema ist, wird jetzt wohl auch keiner sich hinstellen und annähernd nur sagen, was da in jamaikanischen Texten abgeht. Wenn da was kommt, ist das eher so wie früher als Kinder, wenn man dann zu einem gesagt: äh, du bist ja schwul. Das ist das Übliche im Übertragen von Generation zu Generation, dass es den Begriff Schwul überhaupt gibt, ist ja schon so eine Diskriminierung wie das Wort Neger - das ist einfach drin, genauso wie der Rassismus drin ist. Da kann man sich auf den Kopf stellen und sagen blablabla, auf dem Dorf in Forst wird trotzdem der Papi seinen Spruch dazu machen, wenn er ´nen Bimbo im Fernsehen sieht. Da kannste nischt machen.

Z: Ist Religiösität etwas, mit dem du umgehen kannst, weil du jetzt mußt?

L: Die ganze religiöse Seite hat für mich keine Bedeutung. Da ist auch eine ziemliche Trennung in Jamaika zwischen den Gruppen, die stehen sich nicht unbedingt verfeindet gegenüber und hauen sich auf´s Maul, aber da gibt es kaum Berührungspunkte, es sei denn, man kommt aus dem selben Viertel, kennt sich von früher. Für mich hat von Anfang an nur die Musik ´ne Rolle gespielt. Ich arbeite natürlich mit Rastas und Bobos, aber wenn Missionierung anfängt, lass ich die Finger davon. Aber es ist mir auch noch keiner so gegenüber getreten, dass es für ihn ein Problem sei, dass ich nicht seine Religion teile. Das geht auch in Jamaika nicht, da gibt es so viele Ausprägungen, jeder hat ´ne andere Religion..., die haben ja auch die größte Dichte an Kirchen in der Welt, glaube ich, das ist ein sehr religiöses Land.
Aber ich gehe da nur als Musiker an die Sache heran.

Z: Um mal ein anderes Wort zu benutzen: Spiritualität?

L: Bei mir absolut nicht vorhanden. Kind der DDR, Atheist, durch und durch...
Es ist schon klar, dass das für viele im Reggae absolut existent ist, und vielleicht gibt ja sowas wie Gott in der Musik, sonst wären manche Dinge vielleicht nicht so geil [sic!]. Aber für mich ist Musik eher eine technische Disziplin, ich will jetzt nicht wie im Mittelalter sagen, dass es Teil der Mathematik ist, aber...

Z: Also bist du doch nicht der Timbaland des Dancehall, sondern eher der Bach...

L: Wahrscheinlich. Vielleicht komme ich da ja noch hin.“

Soweit, so die Rede. So auch in aller möglichen Vergleichbarkeit zu PowPow&Gentleman- und Dr.RingDing- Artikeln nebenan, bei aller thematischen Wiederholungsgefahr, ein Stück eindringliche Redundanz sei uns zugestanden. Oder?
Oder: Red´ & Tanz!
Der PIONEAR ist voran, soviel ist sicher, in diesem Land bis dato unanfechtbar, die nächsten big t´ings sind schon in der Pipeline, die Hardcore- Herren von der Backyard Crew aus Salzgitter mit Album zum Beispiel, und die nächsten schweren Riddimgeschosse sicher auch schon präpariert, in der Namens- Reihung in ihrer vieldeutigen Eineindeutigkeit wäre mein Betitelungsvorschlag diesmal: „Kurva“. Um die Diskussion auf anderen Ebenen nur mal weiterlaufend anzudeuten. Weiter! & Weiter so, bitte!

"Immer bereit!": PEhLE

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