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Die Frau Sibylle Berg
Ein Memento-Interview

Rex Joswig
Joswig verließ fluchtartig die Kantine der Volksbühne. Frau Berg und Wiglaf Droste enterten die Bühne und legten eine beinharte Show hin.

Z.: Dann wollt ich Dich noch was fragen.
B.: Yes, frag' die Frage.
Z.: ... die man eigentlich nicht fragen kann.
B.: Okay. Wann stirbst Du?
Z.: Ißt Du auch mal was?
B.: Wie kommst Du da drauf?
Z.: Das ist mir bei diesem Foto aufgefallen. Da dacht ich, Sibylle, Du mußt doch auch mal was essen.
B.: Weißt Du, was ich so gut an Asien finde? Da bin ich völlig normalgewichtig. Da fragt mich kein Schwein was. Offen gestanden, wenn Du jetzt ein blöder Mensch wärst, würd ich sagen, fick Dich einfach. Weil irgendwie nervt das total, es gibt dünne Menschen, es gibt dicke Menschen und ich esse tierisch viel. Es ist einfach so, seitdem die Menschen zuviel Talkshows gucken, quatschen mich die Leute permanent darauf an. Dabei gibt's nur dicke und dünne Menschen.
Z.: Dürfen wir dieses Foto verwenden?
B.: Nu, das ist doch ganz niedlich.
Z.: Da hab' ich jetzt alles, was ich wissen wollte, nicht gefragt.


Z.: Du hast zwei längere Stücke von Till Lindemann, dem Rammstein-Sänger, in Dein neuestes Buch aufgenommen.
B.: Es ist recht leicht zu erklären. Erstmal wollte ich die Band mal ein bißchen bekannt machen, ich dachte die müssen mal irgendwie ein bißchen gehört werden. "Der letzte Gesetzespunkt wäre, daß mich alle gerne haben, mir Lieder singen, daß schöne Männer für mich tanzen und mir jeder Bürger an einem Tag im Jahr seine Familienfotos zeigt und thailändisch für mich kocht und im Hintergrund die von Rammstein gesungene neue Nationalhymne erklingt." Zweitens bin ich mit ihm befreundet und weiß, daß er irgendwie schön schreibt, auch über diese Kurzdinger hinaus. Dann haben wir auch immer geredet, wir machen mal ein Buch zusammen, aber bei den Terminen von den Jungs kann man ja Jahre warten, bis das klappt. Und dann dachte ich, das paßt ja auch gut in dieses Buch über Männer, das von einer Frau geschrieben wurde, da mal einen hauptberuflichen Männerdarsteller zu Wort kommen zu lassen. Das Unerfreuliche zuerst. Herrengeschichten. Kiepenheuer & Witsch, 17,90. Das unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was ich mir so ausdenke über Männer. Im Gegensatz zum deutschen Mann hat Till ja Humor und kann denken.
Z. & B.: Der ist druckreif.

Z.: Du wohnst in Zürich im Exil?
B.: Politisches Asyl, Flucht vor meiner eigenen Prominenz. Es ist einfach das schönere Land. Es ist das kultiviertere Land, es ist ruhig, friedlich. Es hat auch so eine mir entsprechende Langsamkeit. In Deutschland geht es mir oft zu fix alles. Überdies ist Deutschland für den Ästheten schwierig, es ist nicht sehr schön, weder die Menschen noch die Gebäude. Ich bin ja nun eigentlich der Inbegriff von Schönheit. Und tue mich hier doch sehr schwer. Und wie gesagt, außer Leipzig fiel mir in Deutschland nichts ein, wo ich wohnen wollte.
Z.: Aber Leipzig überrascht uns schon.
B.: Ich weiß auch nicht, ich war ja damals sackfroh, dass ich weg kam. Ich hatte irgendwie mit diesem Land völlig abgeschlossen und merk dann doch im Alter, daß es so was wie eine verbindende gemeinsame Vergangenheit hat. Zum Beispiel so einen Kontakt zu Till zu haben, da braucht man über viele Sachen nicht zu reden. Wir haben die gleichen Bücher gelesen und wissen das gleiche Zeug. Das empfinde ich eigentlich als sehr entspannend, muß viel Zeug nicht erklären.

Z.: Es gibt diese jungen Leute & Popliteratur. Positionierst Du Dich?
B.: Ich sag da auch nicht groß was dagegen, weil ich denke, das wird sich von selbst erledigen. Es gibt Leute, für die ist jetzt alles Popliteratur, was unter fünfzig ist.
Z.: Nun ist Dein Background ja auch weiß Gott ein anderer.
B.: Vor den Zeitungen hatte ich zwei unveröffentlichte Bücher, so der übliche Weg - fünfzig Ablehnungen. Und Zeitungen war dann irgendwie Geldverdienmittel. So, das ging dann ziemlich lässig. Und dann kam eigentlich zeitgleich zu den Zeit-Kolumnen das erste Buch raus und das hat sich dann schon geholfen.
Z.: Aber Du würdest Dich doch nicht als Journalistin betrachten?
B.: Nee, die sind anders. Das woll'n wir nicht. Das ist sowas, was zum Abschuß freigegeben ist.
Z.: Wie jetzt?
B.: Genaue Abfolge war so: Ich hatte eben abgelehnte Manuskripte, Geldsorgen, irgendwie rumgejobbt und kam dann mal auf die Idee, es gibt Zeitungen, die könnte ich ja mal irgendwie vollschreiben. Und hab dann mir irgendwie 'nen Artikel ausgedacht und an irgendein Blatt geschickt, ich weiß nicht mehr was, und die sprangen sofort drauf, also da hatte ich Glück. Dann lief es parallel, hab ich paar Zeitungen geschrieben, gedacht, das ist super, irgendwie schreibst 'ne halbe Stunde und kriegst zweitausend Mark dafür.

Frau Berg signiert GOLD, campe paperback.

Zonic: ... sagst du mal was Sibylle?
Sibylle Berg: Ich würd auch sagen, das war's dann.


Joswig für Zonic 30/X/2001
with a little help by Bianca

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