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Armia
"der Prozess" / "Freak"

Beide Isound Labels/Import 2009

Zwei Platten kurz hintereinander – bei Armia bricht sich auch im 25.Jahr der Existenz die Kreativität-Wut noch immer ungestüm ihre (Eigen-)Bahn durch die verlorene Weltenwüste. Gegründet 1984 in Warschau vom Szene-Urgestein Robert „Afa“ Brylewski (vorher ´78 bis ´81 bei Kryzys und ´81/´82 bei Brygada Kryzys, zudem stets parallel mit seiner Reggaeband Izrael aktiv) und Tomasz Budzynski (zuvor bei der Hardcore-Legende Siekiera) sowie dem musizierenden Philosophen Slawomir „Merlin“ Golaszewski, sind Armia bis heute eine der wichtigsten (Post-)Hardcore-Punk-Bands in Polen. Ihr einzigartig druckvoller und von wuchtigem Waldhorn-Einsatz geprägter Sound, dessen Einflusslinie in der Frühphase von Discharge über New Model Army bis zu Dead Can Dance gezogen werden konnte, integrierte im Laufe der Entwicklung aber auch Neo-Klassik, rituelle Musik, Art Rock-Struktur, Metal-Härte oder Psychedelic und war stets in Bewegung. Genauso wie die Bandbesetzung. Neben den musikalischen Elementen, zu denen bei „der Prozess“ eine mitreißende Rückkehr zu alten Sturm&Drang-Qualitäten wie auf dem Klassiker „Legenda“ von 1991 gehört, sind es vor allem die komplex verrätselten Lyrics des Sängers, spirituellen Leaders und letzten Ur-Mitglieds Tomasz Budzynski, die Armia unverwechselbar charakterisieren. Jene sind von zutiefst religiösem Mystizismus durchdrungen und beeinflusst von Lyrik der Weltliteratur bis zur klassischen Moderne. Da wurden Dante, Rimbaud, Beckett oder polnische Modernisten verarbeitet, teils als Zitate eingewoben, oder philosophische Inspirationen aufgenommen: von Heidegger (ein Album hieß „Czas I Byt“/„Zeit & Sein“) oder auf „der Prozess“ von Kierkegaard, der dort neben Kafka als tragisch-existentialistischer Bezugspunkt fungiert. Während „der Prozess“ hoch-energetische Tiefgangssound zwischen Dampfwalze, Raserei und poetisch-melodischem Gottesdienst in weiter dunkler Landschaft zelebriert, komplex arrangiert und grandios gespielt - allein das phantastische Drumming von Neu-Armist Kryzyk lohnt die Anschaffung! - geht „Freak“ einen erstaunlichen Schritt weiter. Nicht nur, dass erstmals englisch gesungen wird, was Armia hoffentlich internationale Aufmerksamkeit verschafft, für mich als langjährig armia-abhängigen Hörer aber doch sehr stark gewöhnungsbedürftig ist. Zu den für "der Prozess" erwähnten Ingredenzien stoßen nämlich verstärkt rhythmische Sound-Manipulationen und vor allem gehörige Portionen an freiem Jazz, den allerlei offensiv agierende Gastbläser einbringen, darunter Mateusz Pospieszalski, mit dem man auch bei der katholischen Supergroup 2TM2,3 zusammen spielt. Das am stärksten unerwartete Faktum ist allerdings die Wiederzusammen-Findung mit Slawomir Golaszewski und vor allem Robert Brylewski, die beide in Gastrollen auftauchen. Verließ letzterer doch 1993 die von ihm so stark geprägte Band aus Unwohlsein über die verstärkt offensiv durchdringende Religiösität. Nun, das Jubiläum macht´s wohl möglich – gut so!
Alexander „Zonic“ Pehlemann

unbekannter Autor

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